04 Oct Nick Beyeler: Vom Leben auf Tour im Show Act Business
Das Interview mit Nick Beyeler
Trotz des reichlich ausgebuchten Kalender von Nick Beyeler haben wir es endlich geschafft, ihn für ein Interview an Bord zu holen. Das Leben und die Projekte von Nick Beyeler sind nicht nur optisch faszinieren sondern auch mega interessant. Daher möchte ich euch das Interview gar nicht länger vorenthalten. Viel Spass mit dem Interview mit Nick Beyeler und seinen fantastischen Einblicken in das Show Act Business.
Anfang letzten Jahres wurdest du für deine Arbeit als Bühnen Performer und die Arbeit im Kreationsteam der Show (-Performance) „Toruk – The First Flight“ des Cirque du Soleil mit dem Swiss Award 2015 in der Kategorie Show ausgezeichnet. Ist das schon die höchste Auszeichnung für einen Performance Artist oder wie möchtest du dies in Zukunft übertrumpfen?
Es steht bei mir immer die artistische Herausforderung eines Projektes im Vordergrund, nicht eine Auszeichnung. Über den SwissAward als Ehrung meiner Arbeit aus meinem Heimatland habe ich mich jedoch enorm gefreut, bin ich doch leider viel zu wenig in der schönen Schweiz! Eine grosse, überraschende Ehre die mich berührt hat. Der Award fiel allerdings nicht vom Himmel, ich habe Jahrzehnte hart dafür gearbeitet. In direkter Konkurrenz zu der Musikbranche wird Tanz und Bewegungs-Theater oftmals übergangen, ich nahm den Award im Namen meiner Performer Familie entgegen. Peinlicherweise zerbrach der edle Pokal beim Tanzen später am Abend, wurde wieder geflickt, und steht nun stolz in meiner Wahlheimat Nizza.
Du warst und bist in eine Vielzahl interessanter Projekte involviert. Unter anderem warst du in den Filmen Dhoom:3, Full Cast & Crew sowie als Artist bei der Helene Fischer Konzert-Tournee (der Helene Fischer Show) zu sehen. Was war dein bisher spannendstes Projekt? Warum?
Tatsächlich bin ich überaus glücklich, bei einer Vielzahl von prestigeträchtigen und grossformatigen Projekten mitgewirkt zu haben, das ist schon sehr spannend. Ein absolutes Highlight sind die Olympischen Sommerspiele in Peking. Obwohl auch einer der härtesten Jobs körperlich, bleibt das ganze grandiose Abenteuer unvergesslich.
Bei einer Kreation für eine neue Cirque Du Soleil Show mitzuwirken, ist körperlich und mental anspruchsvoll und sehr speziell. Dazu noch in Zusammenarbeit mit James Cameron unter dem Namen Avatar, ist schon grandios. Soeben habe ich erfahren, dass Toruk im neuen Guiness Buch der Weltrekorde aufgeführt ist als erfolgreichste tourende Zirkusshow – Wahnsinn!
Im Film Dhoom:3 hast du den Hauptdarsteller Amir Khan gedoubled. Könntest du dir vorstellen, auch selbst die Hauptrolle in einem Film einzunehmen?
Ich hatte immer eine grosse Bewunderung für Film & TV, das Medium interessiert mich sehr. Es gibt viele Parallelen. Emotionen und Glaubwürdigkeit zu Vermitteln, eine Vision zu verkörpern. Zusätzlich zu den akrobatischen Nummern übernehme ich bei unserer Show Toruk oftmals die Hauptrolle als Schauspieler. Die Verbindung von Film und Bühne im Beispiel von Avatar mit Light Storm Entertainment und James Cameron ist sehr spannend und lehrreich. Wir haben kürzlich das Motion Capturing Studio der Avatar Fortsetzungen besucht, die neuen Technologien sind fantastisch und das Resultat absolut atemberaubend! Ich freue mich enorm auf die neuen Avatar Filme. Aktuell interessiert mich die Arbeit und die Kreativität im Tanz Theater.
Hast du auch schon negative Erfahrungen in der Welt der Show-Acts machen müssen?
Klar. Die Schattenseite des glitzernden Bühnenleben existiert – und ist Teil der ganzen Reise. Klischees der über-ambitionierten Arbeitskollegen die über Leichen gehen oder gewissen Prinzipien Nord Amerikanischen Firmen werden bestätigt, doch es überwiegt das Positive, worauf ich mich konzentriere. Nach über 5 Jahren on Tour und Leben aus dem Koffer, fehlen mir meine eigene Küche und mein eigenes Bett. Ich reise mit einem Aroma Öl Diffusor und mit meiner Nespresso Maschine, erstaunlich wie schnell man sich bei frischem Kaffeegeruch morgens im Hotelzimmer heimelig fühlen kann.
Woher schöpfst du die Inspiration für deine Showacts/ Choreografien und Performances?
Die Inspiration kommt oftmals ganz unverhofft und unerwartet. In den meisten Fällen beginnt es mit einer Stimmung, einem atmosphärischen Bild. Ein Song zum Beispiel setzt einen Prozess in Gang. Ein gewisses Gefühl, dem Bilder folgen. Oftmals schwirren mir mehrere Ideen gleichzeitig im Kopf rum, wobei zu Beginn nie ganz klar ist, wo die Ideen schlussendlich eingesetzt werden. Mein Solo Act .supply im Plastic Tube zum Beispiel begann mit einem destruktiven Remix eines Songs von Grace Jones, der mich über Jahre nicht los liess, mit einer ganz bestimmten Vision, jedoch ohne definierte Idee, in welcher Form dieser Act ausgedrückt werden kann. Später kam ich in Kontakt mit der wunderbaren Heidi Aemisegger vom Oeff Oeff Performance Kollektiv aus meiner Heimat Bern und so fand der Act sein Gefährt im klaustrophoben Plastic Tube! Im Job erhalte ich meist eine klar definierte und abgegrenzte Mission – ohne allzu viel kreativ Spielraum, entsprechend genieße ich dann mein eigenes Tun & Schaffen.
Du tourst mit deinen Performances und Shows durch die ganze Welt. Derzeit bist du in Süd Ost Asien unterwegs. Wo hat es dir bisher am besten gefallen?
Immer wieder trifft man auf unerwartet schöne Orte! Bei einem wöchentlichen Ortswechsel On Tour verschwimmt leider zu oft die Erinnerung. Mit Freude scrolle ich mich durch meine iPhone Galerie und bin entsetzt welche wunderbare Orte ich schon wieder vergessen habe. Highlights: überbackene Austern auf einem sonnigen Südstaaten Balkon im French Quarter von Louisiana, das einsame Eintauchen in eine vergessene Cenote im Dschungel von Mexiko mit kristallklarem türkisfarbenen Wasser, Kaffee Trinken in der Klein-Kunstszene in Melbourne Australien, oder nur eine simple, aber herzlich passionierte hipster Cocktailbar in einer namenlosen amerikanischen Stadt. Bei bis zu 10 Performances pro Woche ist die Freizeit beschränkt, umso wichtiger ist es, früh aus dem Bett raus und dem Muskelkater zum Trotz die Gegend auskundschaften. Wir motivieren uns gegenseitig im Team.
Gibt es auch einen Ort, welchen du mit negativen Erfahrungen verbindest bzw. welcher dir gar nicht gefallen hat?
Ein Abschnitt unserer Nordamerika Tour führte uns durch unzählige generische verwechselbare Städte ohne jeglichen Charakter… mit dem Gewissen Nichts. Mein ganzer Körper und Seele sehnte sich nach Natur. Man improvisiert und organisiert halt was in den eigenen Hotelzimmern und kämpft sich durch. Für die Eröffnung des 101Towers in Taipei arbeitet ich monatelang um die Uhr in Taiwan, was starke Nerven erforderte. Zum Glück gibt’s Koffein pur im Bubble Tea.
Auch in der Model-Welt hast du Erfahrung. Unter anderem hast du bereits für das International Men’s Health Magazine als Model vor der Kamera posiert. Viele Insider beschreiben die Model-Welt als sehr oberflächlich. Wie sind deine Erfahrungen? Kannst du dieses Vorurteil mit deinen Erfahrungen bestätigen bzw. entkräften?
Was ist schon oberflächlich oder nicht? Die Fashion-Branche ist eine Industrie mit einer weiten Bandbreite an Berufen mit Kollegen und Freundschaften jeglicher Art. Es kommt immer auf den Vergleich drauf an. Nebst der rein Business mässigen Arbeit ergeben sich oftmals Artistische Zusammenschlüsse zwischen Model, Fotografen, etc und langjährige Freundschaften. Eine artistische körperlich intime Zusammenarbeit die Fragen aufwirft, Grenzen erforscht etc macht auch schon mal verletzlich. So können tiefe Freundschaften entstehen, weit spannender als dies in einem 0815 Büro möglich wäre. Meine Erfahrung ist alles andere als oberflächlich.
(Als Aktmodell aber auch) In deinen Performances zeigst du sehr viel Haut – das verlangt dein Job. Gibt es Situationen, in welchen du dich dabei unwohl fühlst?
Die Exposition, die Verletzbarkeit gehört zur Performance. Ein Unwohlsein kann durchaus Teil davon und gewollt sein. Zu Beginn meiner artistischen Karriere wollte der Produzent einer unserer Shows in Miami, dass ich am Ende der Nummer meinen Hintern zeige. Auf eine billige, unelegante Weise, holprig. Nicht einmal humorvoll. Es braucht in solchen Situationen viel Mut & Selbstvertrauen ein klares Nein zu sagen und sich dem Geldgeber, dem Produzenten zu widersetzen. Etliche Jahre später erforderte mein eigener Akt auf einer Tournee in Spanien komplette Nacktheit auf der Bühne – die Emotion, die Geschichte und die Erfahrung für das Publikum stimmte, so gab ich mich dem mit Freude hin. Komplett nackt zu sein alleine auf einer grossen Bühne vor Publikum jeden Abend unter körperlicher Anstrengung ist eine grosse mentale Herausforderung. Die Realität und Brutalität täglich bewertet, verglichen und begutachtet zu werden braucht Mut und Selbstvertrauen. Dem liegt aber auch eine gewisse Schönheit und Freiheit inne.
In diesem Sinne möchte ich mich nochmals recht herzlich bei Nick Beyeler für dieses interessante Interview bedanken. Ich denke wir habe aussergewöhnliche Einblick in das faszinierende Show Act Business von Nick Beyeler bekommen. Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg uns Spass auf deiner Tour und zukünftigen Projekten, Nick!
Alle Infos zu Nick Beyeler findet ihr hier:
https://www.facebook.com/nick.beyeler
https://www.instagram.com/nickbeyeler/